Nachhaltig und vielfältig – so in etwa kann man das materialtechnologische Konzept des Allgäuer Unternehmens „out for space“ beschreiben. In einem Interview mit karrieremuenchen.de stellt sich Felix Wurster, CFO, Sales Director und Gesellschafter des Unternehmens, den Fragen rund um das innovative Material karuun®.
Lieber Felix, für alle, die nicht aus dem Allgäu stammen und noch nichts von out for space gehört haben: Welches Produkt steht hinter eurem Unternehmen?
Wir haben karuun® entwickelt, ein innovatives Material, welches auf der Rattanpalme basiert und unendlich viele Anwendungen hat. Schon heute bietet es in vielen Industrien eine Alternative zu herkömmlichen, natürlichen Materialien und Kunststoffen. karuun® kommt aus dem indomalayischen und bedeutet so viel wie versteckter Schatz. Mit unseren patentierten Technologien wird bei karuun® die natürliche Rattanpalme zu einem HighTech-Werkstoff mit herausragenden Eigenschaften verarbeitet. Dazu zählen Leichtigkeit, dreidimensionale Verformbarkeit und eine Vielzahl an individuellen Designs. Wir bieten die umweltfreundliche Antwort auf Plastik, denn durch die Verbindung von Forschung und Gestaltung gehen wir einen neuen Weg in der Entwicklung nachhaltiger Produkte. Inspiriert von der Natur, traditionellem Handwerk und neuen Technologien, setzen wir höchste Standards in der Herstellung nachhaltiger Materialien und innovativer Produkte.
Woher kam die Gründungsidee für out for space?
Während seines Produktdesign-Studiums hat unser Co-Founder Julian Reuter die ersten erfolgreichen Experimente mit Rattan durchgeführt. Diese zeigten, dass es ein vergessener Werkstoff mit unglaublich viel Potenzial ist. Daraufhin entwickelte er das erste Patent: die Behandlung des gesamten Querschnitts über die natürlichen Kapillare der Rattanpalme. Die Erteilung des Patents gab uns Mut und Sicherheit. Zudem war das für uns der Beweis, dass es sich lohnt, dieses Produkt weiterzuentwickeln und auf den Markt zu bringen.
Wie konntet ihr die Finanzierung sicherstellen?
Natürlich zählt die Finanzierung in der Regel zu einer der größten Herausforderungen, die ohne unsere Fördergelder von Bund und Land sehr schwer geworden wäre. Anfangs haben wir uns mit Förder- und Privatkrediten finanziert. 2018 konnten wir dann unsere erste Beteiligungsfinanzierung abschließen und „intelligentes Geld“ einsammeln. Mit ‚intelligent‘ meine ich, dass wir neben dem Kapital auf ein breites und strategisches Netzwerk zugreifen konnten, das uns die Türen zur Industrie öffnete. Starke Unterstützung gab und in dieser Phase insbesondere die Gründerregion Allgäu und Allgäu Digital. Darüber hinaus brachte uns der Gewinn des Allgäuer Gründerpreises 2017 in Kontakt mit potenziellen Investoren, Coaches und Unternehmen.
Rattan als Material kennen die meisten vermutlich nur von outdoor- Möbeln. Wodurch unterscheidet sich karuun® davon und wofür setzt ihr es ein?
Leider hat Poly-Rattan mittlerweile das natürliche Rattan verdrängt. Heute wird unter Rattan hauptsächlich die Kunststofffaser gesehen, die letztlich auf dem Sondermüll landet. Fast alle Outdoor-Geflechte haben nichts mit der eigentlichen Rattan-Faser zu tun. Das liegt daran, dass das natürliche Material mit seiner Haut zwar bis zu einem gewissen Grad witterungsbeständig ist, aber eigentlich ohne Behandlung nicht wirklich für den Outdoorbereich geeignet ist. Bei karuun® arbeiten wir mit natürlichem Rattan und veredeln den umweltfreundlichen Naturwerkstoff mit wenig Energieaufwand durch den ganzen Querschnitt. Das Material kann so für verschiedenste Anwendungen modifiziert werden. Mit der Weiterverarbeitung zu Halbware entwickelt sich karuun® zu einem natürlichen High-Tech Werkstoff für die Industrie.
Inwiefern trägt karuun® zum Erhalt der Regenwälder bei?
Mit „fairventures worldwide“ haben wir Anfang dieses Jahres begonnen, erste Regenwaldflächen in Indonesien wiederaufzuforsten. Mittlerweile arbeiten wir mit karuun®-Bauern auf Kalimantan, die für uns Rattan kultivieren. Die Palme gedeiht nur in intakten Regenwäldern und nicht in Monokulturen. Sie ist schnellwachsend und die Ernte sehr umweltfreundlich. Je mehr Bedarf also an natürlichem Rattan entsteht, desto mehr existierende Regenwaldflächen können geschützt und wiederaufgeforstet werden.
Welche Industrien gehören zu euren Kunden?
Mit karuun® sprechen wir die produzierenden Gewerbe an, die unser Material zur Weiterverarbeitung nutzen. Heute kann karuun® in jedem Gebäude und Fahrzeug-Innenraum Anwendung finden. Neben Möbeln werden auch Konsumgüter wie Brillen, Uhren oder beispielsweise Gehäuse für elektronische Geräte produziert. Weitere Entwicklungen in der Pipeline werden wieder neue Geschäftsfelder und Zielgruppen ansprechen. In fünf Jahren werden wir karuun® in unterschiedlichsten Premiumprodukten wiederfinden. Die Mobilitätsindustrie – vor allem die neue Ära alternativer Antriebe und autonomen Fahrens – wird sich mit karuun® Ausstattungen im Innenraum schmücken und die nachhaltige Geschichte erzählen. In immer mehr öffentlichen Räumen sowie in Privat- und Firmengebäuden wird man diesen Werkstoff in Szene setzen. Zudem wird karuun® auch in Lifestyle-Produkten Anwendung finden und mitunter für ein neues Zeitalter stehen: für intelligente Kreisläufe mit Materialien und Produkten.
Womit hättet ihr bei der Gründung nicht gerechnet?
Für die Erstfinanzierung war ein strategischer Umweg nötig, den wir so nicht eingeplant hatten: Um der Bank Sicherheiten anbieten zu können, mussten wir bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt aus karuun® Möbel gestalten, produzieren und auf Lager legen. Ein hohes Risiko, das sich aber durchaus gelohnt hat.
Entwickelt ihr aktuell weitere Produkte und wenn ja, wie geht ihr dabei vor?
Mit unserer Herstellungstechnik ergeben sich tausend neue Materialanwendungen. Wir begleiten momentan viele Entwicklungen mit Partnern aus unterschiedlichsten Branchen. Bei out for space wird nach einem internen Kodex gehandelt und entwickelt. Dieser hat das Ziel, intelligente, transparente Prozesse für unsere Kunden zu schaffen sowie der Verantwortung für Natur und Umwelt gerecht zu werden, welche mit dem Verkauf von karuun® einhergeht.