Die Zeit der geradlinigen Karrieren ist vorbei – findet zumindest Alex Beer (Pseudonym), Autorin der Krimireihe rund um August Emmerich in der Zeit der Habsburgermonarchie. Wieso das so ist, was ihr beim Schreiben wichtig ist und wie sie bei der Planung ihrer Buchprojekte vorgeht, erzählt die Österreicherin auf karrieremuenchen.de.
Frau Beer, Sie studierten zunächst Projekt- und Prozessmanagement, danach erfolgte der Wechsel in die Archäologie. Anschließend zogen Sie nach New York und seit knapp 2007 sind Sie als Autorin tätig. Ein bunter Lebenslauf – bei einer Karriere heutzutage hinder- oder eher förderlich?
Ich denke, dass es gerade in meinem Beruf von Vorteil ist, viel erlebt und Erfahrungen gesammelt zu haben. Im Laufe meines Werdegangs konnte ich verschiedenste Menschen und deren Lebensentwürfe kennenlernen, das kommt mir jetzt beim Schreiben sehr zugute. Auch allgemein glaube ich, dass die Zeiten von klar umrissenen, geradlinigen Karrieren vorbei sind. Die heutige Gesellschaft ist schnelllebig, und viele Berufe verlangen nach Flexibilität, Offenheit und der Fähigkeit sich immer wieder neu zu erfinden. Das gelingt besser, wenn man ein bisschen was von der Welt gesehen und in verschiedene Bereiche hineingeschnuppert hat.
Gehören Sie zu den Autorinnen, die schon immer wussten, dass sie schreiben wollten?
Nein. Ich habe schon immer gern gelesen, aber die Idee selbst zu schreiben kam erst ziemlich spät. Ich hab mich dann gefragt: Warum bin ich nicht schon früher drauf gekommen?
Erlauben Sie uns einen kurzen Einblick in Ihre tägliche Arbeit: Wie systematisch gehen Sie bei der Planung neuer Buchprojekte vor?
Am Anfang steht ganz viel Brainstorming, immer wieder unterbrochen von Phasen der Recherche. Ich überlege mir Wendepunkte, Cliffhanger, spannende Charaktere und suche nach interessanten Anekdoten und außergewöhnlichen Schauplätzen. Anschließend versuche ich dem Ganzen eine Struktur zu geben und daraus einzelne Szenen abzuleiten. Dann folgt das eigentliche Schreiben und schließlich wird mehrfach überarbeitet.
Wie sind Sie auf die Figur des August Emmerich gekommen?
Am Beginn stand die Epoche. Ich wollte unbedingt eine Geschichte schreiben, die kurz nach dem Niedergang der Donaumonarchie spielt. Dafür habe ich mir dann eine Figur ausgedacht, die in diese Zeit passt. Da der Erste Weltkrieg gerade vorüber war, fand ich es naheliegend, dass mein Protagonist eine Kriegsverletzung hat, auch die Kindheit im Waisenhaus und den zynischen, abgeklärten Blick auf die Welt finde ich den Umständen angemessen.
War es wichtig für Sie, einen persönlichen, lokalen Bezug herzustellen?
Mir war es vor allem wichtig, eine Epoche zu beleuchten, die (meines Erachtens) in der allgemeinen Wahrnehmung viel zu kurz kommt. Fragt man die Menschen, was sie mit Wien assoziieren, so sind das meist die lebenswerte Stadt von heute oder der Glanz und die Glorie der Habsburgermonarchie. Dass es dazwischen eine Zeit gab, in der Wien ein ziemliches Drecksloch war, wird oft vergessen. Mir ging es darum, dass die Menschen die Stadt nach der Lektüre mit anderen Augen betrachten.
Aus welchen Quellen beziehen Sie Ihre Informationen für die historischen Hintergründe?
Ich recherchiere hauptsächlich in der Österreichischen Nationalbibliothek. Dort lese ich alle relevanten Zeitungen und Magazine aus der damaligen Zeit (die Emmerich-Reihe spielt ja in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg), außerdem Biografien, Festschriften, Flugzettel … alles was ich in die Finger kriege. Historische Akkuratesse bis ins kleinste Detail ist mir sehr wichtig. Es geht ja nicht nur um die Krimihandlung, sondern auch darum, den Leser auf eine Zeitreise mitzunehmen.
Aus welchem Grund veröffentlichen Sie Ihre August-Emmerich-Bücher unter einem Pseudonym?
Vor den historischen Krimis habe ich Regionalkrimis geschrieben. Davon wollte ich mich klar abgrenzen, um dem Leser zu signalisieren: Achtung, jetzt kommt was ganz anderes. Die neuen Bücher sind düsterer und ernster als jene zuvor.
Einen kurzen Text zu schreiben, ist eine Sache; Jeden Tag in einem Büro durch sein Umfeld zur Erfüllung der beruflichen Aufgaben animiert zu werden, eine andere: Wie motivieren Sie sich jeden Tag erneut dazu, weiterzuschreiben?
Die Schriftstellerei ist mein Brotberuf. Rechnungen wollen bezahlt werden, Leser warten auf neue Bücher, der Verlag möchte eine gewisse Planungssicherheit. Disziplin gehört einfach dazu, anders geht es nicht. Thomas Edison sagte einmal: „Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration”. Das kann ich nur unterschreiben.
Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen wie der Leo-Perutz-Preis, den Sie sowohl 2015 als auch 2017 erhalten haben?
Solche Preise sind unglaublich wichtig. Das Preisgeld ermöglicht eine gewisse Freiheit, vor allem aber bringen sie Aufmerksamkeit und ein gewisses Renommee. Mit so einer Auszeichnung in der Tasche wird man im Literaturbetrieb eher ernst genommen.
Hatten Sie im Verlauf Ihrer Karriere als Autorin mit einer besonderen Herausforderung zu „kämpfen“?
Besonders am Anfang meiner Karriere habe ich mir mit negativer Kritik sehr schwer getan. Mittlerweile habe ich gelernt, die wegzustecken und zu akzeptieren, dass sie einfach dazu gehört. Auch Disziplin und Routine musste ich erst lernen.
Auf wie viele August Emmerich-Fälle dürfen wir uns denn (geschätzt) noch freuen?
Die Erste Republik ist voll von spannenden Ereignissen (Hyperinflation, Austrofaschismus, Bürgerkrieg …) und auch Emmerich steckt voller Überraschungen. Da ließe sich noch viel erzählen. Wie viel es dann tatsächlich wird, hängt voll und ganz von den Lesern ab – so lange sie Freude an den Emmerich-Romanen haben, werde ich ihnen welche liefern.