Kann in München ein anderer Sport neben dem Traditionsgott Fußball bestehen? Klar, das haben die Spieler vom FC Bayern Basketball (FCBB) in der Saison 2013/ 2014 mit der Meisterschaft in Berlin bereits bewiesen. Das jeweilige Team und der Trainer sind das pulsierende Herz jedes Sportvereins – trotzdem sind im Hintergrund zusätzliche Player nötig, um den Erfolg zu ermöglichen. Die Karriere München-Redakteurin Bettina Riedel hat sich die andere Seite des Profi-Sports angeschaut und war bei einem der beiden Geschäftsführer des FCBB im Audi Dome zu Gast: Volker Stix.
Herr Stix, bei der Recherche über Ihre Person bin ich auf ein Zitat gestoßen, das Wolfgang Heyder zugeschrieben wird: „Volker Stix ist loyal bis zur Selbstaufgabe.“ Ein Kompliment?
Wolfgang Heyder ist eine der Personen, denen ich sehr viel zu verdanken habe. Wir haben länger als 12 Jahre zusammen gearbeitet, insofern höre ich sowas von ihm wirklich gerne. Das Zitat muss man in den Bezug stellen, dass wir uns hier im Sport bewegen, wo der Verein und die Mannschaft an erster Stelle stehen und nicht die einzelne Person hinter dem etwaigen Erfolg.
Wie sind Sie eigentlich zum Sport gekommen?
Die Faszination Basketball gab es schon immer – das lässt sich gar nicht vermeiden, wenn man wie ich in Bamberg aufwächst. Wie jeder habe ich mit acht oder neun Jahren das Spielen angefangen. Vom Niveau hat es nicht weiter als bis zum schlechten Regionalspieler gereicht. Dafür habe ich mit etwa 18 Jahren damit begonnen, mich mit dem Trainerwesen zu beschäftigen, habe die Ausbildung absolviert und dann Jugendmannschaften trainiert – zu diesem Zeitpunkt übrigens noch nicht als berufliche Perspektive. Zwischendrin habe ich erst mal meinen Wehrdienst abgeleistet und dann studiert.
Was haben Sie studiert?
Vier Semester Medizin und sechs Jura. An der Dauer merkt man schon, dass ich beide nicht abgeschlossen habe, dafür aber ein gutes Studium Generale absolviert, sage ich immer. Im letzten Jura-Semester habe ich dann die Chance bekommen, mein Basketball-Hobby zum Beruf zu machen. Damals gab es in Bamberg eine Bundesligalizenz, die bei einem Verein lag, der in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Die Lizenz wurde dann auf eine GmbH übertragen, deren Geschäftsführer Wolfgang Heyder wurde. Er kannte mich als Jugendspieler und -trainer und in einem Gespräch mit ihm kam die Idee auf, dass ich vormittags, also halbtags, in der Geschäftsstelle arbeite und die zweite Halbtagsstelle als Trainer. Ich erinnere mich daran, als wäre es heute gewesen. Wir sitzen in diesem Café in Bamberg – ich habe das Angebot vor mir liegen und dann sage ich natürlich, dass ich erst mal drei Tage darüber nachdenken will und mit meiner Familie sprechen. Wolfgang war damit einverstanden, steht auf, geht aus dem Café raus und ich denk mir plötzlich: ,Was will ich da eigentlich überlegen?!‘ – und sprinte ihm hinterher. Das war 1999 und im Endeffekt habe ich bis 2011 in Bamberg in den verschiedensten Positionen gearbeitet. Grundsätzlich eher mit Trainerschwerpunkt, allein acht Jahre als Co-Trainer.
Hilft Ihnen diese Erfahrung jetzt als Geschäftsführer weiter?
Auf jeden Fall, weil ich auch die Sportseite bis ins Detail kenne: Wie tickt ein Trainer? Wie ein Spieler? Wie funktioniert eine Mannschaft? Was brauchen sie, um erfolgreich zu sein? Aus meiner Sicht ist das ein unschlagbarer Vorteil. Wie bei kaum einer anderen Arbeit liegen hier absolute Euphorie und zu Tode betrübt sein unfassbar nah beieinander und das in der Praxis erfahren zu haben, hilft ungemein.
In München waren Sie dann auch Jugendtrainer?
Ja, so war es. Nach verschiedenen Gesprächen mit Dirk Bauermann, Marko Pesic und Bernd Rauch ist dann das Angebot gekommen, nach München zu wechseln und das Nachwuchsprogramm aufzubauen. Aus der Bamberger Situation hatte ich viele Erfahrungen, auch wenn hier in München natürlich ganz andere Grundlagen gegeben waren.
Inwiefern?
Der FC Bayern ist ein viel größerer Verein, hat ein anderes Standing in der Stadt und ein weiter gefasstes Einzugsgebiet, das macht einen großen Unterschied. Es ging niemals darum, das Bamberger Programm, das damals eines der beiden besten in Deutschland war, eins zu eins nach München zu übertragen. Die Idee war immer, die Erfahrungen aus den besten Nachwuchsprogrammen in Europa zu sammeln und hier vor Ort mit der Identität und der DNA des FC Bayern neu aufzubauen. Wenn man sich die Erfolge im letzten Jahr anschaut, dann ist uns das sehr gut gelungen.
Wie ging es dann weiter?
Im Jahr 2012 wurde ein neues Präsidium gewählt, unter anderem wurde ein neuer Vizepräsident für das Basketball verantwortlich und im Zuge dessen wurde auch klar, dass es für mich nicht bei meinen bisherigen Verantwortlichkeiten bleibt.
Eben hatten Sie die Standortunterschiede bereits angesprochen. Wenn man sich die Liga so anschaut, dann haben Nischensportarten in Deutschland offenbar vor allem in relativ kleinen Städten ihre Fans und Vereine. Ist Münchens Größe ein Nachteil?
In Deutschland ist die Sportart Basketball historisch gesehen in den Städten gewachsen, in denen es zwei Faktoren gab: Universitäten und US-Kasernen – Bamberg, Gießen, Heidelberg … Aber auch München hat ja eine Basketballtradition seit 1946 und ist auch nach dem Krieg zwei Mal Meister geworden. Es gab und gibt in München unglaublich viele Basketballvereine. Was lange Jahre hier gefehlt hat, war das Aushängeschild an der Spitze. Wenn es darum geht, den Münchner Basketball deutschlandweit an die Spitze zu bringen, dann ist klar, dass das nur der FC Bayern Basketball schaffen kann. Für uns ist der Standort München absolut von Vorteil. Es ist eine sehr wohlhabende Stadt mit vielen internationalen Unternehmen und einer wahnsinnig hohen Lebensqualität.
Die Marke FC BAYERN bekommt ein gerüttelt Maß an Ablehnung entgegen gebracht. Bisweilen kommen ja die bizarrsten Vorwürfe auf. Wie geht man damit um?
Natürlich versuchen wir, souverän damit umgehen. Wir wissen sehr genau, was wir hier tun und was der Wahrheit entspricht oder nicht. Es gibt immer wieder Behauptungen, die opportunistisch Anklang finden. Natürlich kann ich es keinem Bamberger verübeln, wenn er in Bamberg am Stammtisch erzählt, ,die Bayern kaufen alles auf‘. Das ist eben eine Meinung, die dort mit großem Applaus bedacht wird. Hier wäre es sicherlich etwas schwerer die Meinung zu vertreten, dass wir nicht alles aufkaufen, sondern bis auf eine Ausnahme nur Spieler geholt haben, deren Verträge ausgelaufen sind. Jeder andere Verein hätte genauso aktiv werden können. Die Behauptungen werden dadurch, dass man sie oft genug wiederholt, definitiv nicht wahr. Ich glaube, wir können ein gesundes Selbstbewusstsein zeigen und stolz sein auf das, was wir hier aufbauen, gerade auch im Nachwuchsbereich.
Von Fan-Seite betrachtet: Wie sollten diese am Besten damit umgehen – gerade weil sie ja nicht den professionellen Anspruch hinter sich haben, sondern emotional beteiligt sind?
So wichtig und wertvoll Emotionen im Sport sind, ich glaube, es gibt Situationen, wo man sie ein Stück weit einfach rausnehmen muss. Es ist klar, dass die Marke FC Bayern stark polarisiert, aber das ist für uns auch ein Erfolgskonzept, weil so über den Verein geredet wird. Wenn über etwas geredet wird, ist es attraktiv für Zuschauer, Sponsoren und jeden, der in die Halle kommt und sich das Spektakel mal anschauen möchte. Der Werbewert dieser Unterhaltungen ist hoch. Für die Fans lässt sich das in einem Ausdruck zusammenfassen: drüber stehen.
Ursprünglich war Basketball ja eher ein Studentensport. Ist das immer noch so?
Nein, das kann man so nicht sagen. Vom Spieler wird natürlich eine hohe Spielintelligenz gefordert: Es ist ein relativ kleines Spielfeld, darauf findet man Spieler mit unterschiedlichen Körpervoraussetzungen und es sind drei Dimensionen, in denen gespielt wird. Der Korb als Ziel hängt ja in der Luft, ist nicht wie bei vielen Sportarten am Boden. Basketball ist sehr komplex, das macht ihn absolut faszinierend.
Stichwort neue Arena.
Das liegt nicht originär in unserer Hand. Das Vorhaben ist von dem Eigentümer des Eishockey-Clubs und Red Bull projektiert. Wir sind in Gesprächen, wie man diese Halle als FC Bayern eventuell mit nutzen kann. Aber wie weit Red Bull in den Verhandlungen mit der Stadt und der Baugenehmigung ist, da sind wir nicht in der Tiefe involviert. Von daher sehen wir das ganz entspannt und fühlen uns hier im Audi Dome weiterhin extrem wohl. Die Halle hat noch Potenziale, die nicht ausgeschöpft sind und dabei viel Charme.
Hat Volker Stix einen Lieblingsspieler und wenn ja, welchen?
Natürlich gibt es einige tolle, aber auf einen einzelnen möchte ich mich nicht beschränken. In meiner Jugend war die Hochzeit von Michael Jordan. Wen ich nicht auf seine Rolle als Spieler beschränken möchte, sondern wer mich auch als Person unglaublich beeindruckt, ist bis heute Dirk Nowitzki. Ihn durfte ich in meinen fünf Jahren als Co-Trainer der Nationalmannschaft erleben. Ansonsten mag ich als Spielertyp den europäischen Point-Guard sehr, also Spieler wie Dimitrios Diamantidis von Panathinaikos Athen oder Miloš Teodosic von ZSKA Moskau.
Apropos Dirk Nowitzki: Seine Würfe trainiert er nach mathematischen Prinzipien und so wird seine Treffgenauigkeit erklärt. Ließe sich das nicht auf jede andere Mannschaft übertragen?
Interessant wäre es schon. Aber die Ausbildung des Spielers Dirk Nowitzki, die Holger Geschwindner entwickelt hat, ist schon sehr spezifisch auf Dirk zugeschnitten. Zu allem, was man einem Spieler vermitteln möchte, muss der den Zugang finden. Es dürfte manchmal schwer sein, ihm einen mathematischen Zugang zu seinem Wurf zu geben, wenn er aus welchen Gründen auch immer dieses Selbstverständnis nicht hat. Außerdem muss der Spieler es nicht nur verstehen, sondern auch umsetzen können. Insofern darf man diese spezielle Art nicht verallgemeinern.
Eine der Neuverpflichtungen ist Maxi Kleber, der zuletzt in der spanischen Liga gespielt hat. Wie kriegt man einen Spieler wie ihn nach München?
Man führt intensive Gespräche. So ein Kontakt wird ja nicht erst aufgebaut, nachdem er in Spanien mal 30 Punkte gemacht hat. Den hat man vorher auf dem Schirm und hält permanent Kontakt. Nachdem Maxi in Würzburg gespielt hatte, kam sein Sprung in eine Liga mit höherem Niveau, wo er allerdings ,nur‘ in der spanischen Liga selbst gespielt hat. Also war sein nächster Schritt zu einem Team, das auch international teilnimmt. Der FC Bayern Basketball ist ein Verein, der hohe Ziele hat, ganz oben an der Spitze mitspielt, in der Euroleague ist und Titel holen möchte. Das hat zum Karriereverlauf zu Maxi Kleber sehr gut gepasst.
Was war in der letzten Saison Ihr bitterster Moment?
Ganz klar das verlorene fünfte Finale. Wenn man so weit kommt, dann will man auch unbedingt gewinnen, egal wie schwer die Saison davor war. Die Spiele, die wir Berlin und Bamberg abgetrotzt haben, waren natürlich auch Highlights, aber wenn man im letzten Finalspiel ist, dann gibt es nur ein Ziel. Das war der bitterste Moment, direkt gefolgt vom Pokal-Aus in Berlin.
Kurz vor der neuen Saison gab es dann die Entscheidung von Heiko Schaffartzik, nicht mehr im Trikot des FCBB aufzulaufen.
Ich denke, es zeigt unsere Wertschätzung für Heiko, dass wir so lange gewartet haben. Für einen Spieler wie ihn, der hier Meister geworden ist und viel für den Verein getan hat, wird die Tür auch immer offen stehen. Letztlich hat er sich dagegen entschieden. Wenn man Heiko näher kennt, überrascht das auch nicht so sehr, aber am Ende des Tages gehört es zum Sport dazu.
Gemunkelt wurde, dass er – wenn er denn geblieben wäre – länger auf der Bank gesessen hätte.
Natürlich wird mit jedem Spieler vor der Vertragsverlängerung über seine Rolle gesprochen. Die Erfahrung und der Sport zeigen aber, dass diese Vorgespräche auch mal schnell Makulatur werden. Zum Beispiel, wenn sich der Spieler verletzt oder ein anderer seine Rolle nicht so ausfüllt wie erhofft. Im Endeffekt geben diese Gespräche also nur eine Richtung vor.
Von Schaffartzik zur letzten Neuverpflichtung: K.C. Rivers. Sein Vertrag läuft bis Ende des Jahres, mit der Begründung, dass man von Bo McCalebb gelernt habe. Was hat man gelernt?
Zunächst muss man sagen, dass die beiden Situationen grundverschieden waren. McCalebbs Verpflichtung resultierte vor allem daraus, dass viele Spieler zu dem Zeitpunkt verletzt waren: Bryce Taylor zum Beispiel, dazu Anton Gavel. Also haben wir uns dazu entschieden, auf der Position des Aufbauspielers aktiv werden zu müssen und so kam McCalebb im November dazu. Im Gegensatz dazu Rivers: Der ist von Anfang an der Saison da, macht die komplette Vorbereitung mit. Wir haben uns für die Euroleague-Vorrunde darauf geeinigt, diese Phase der Saison zusammen zu bestreiten. Es gab jetzt die Möglichkeit, ihn zu verpflichten und die sportlichen Verantwortlichen waren sich einig, dass Rivers uns jetzt extrem weiterhilft. Natürlich werden wir uns rechtzeitig hinsetzen und mit ihm besprechen, wie unsere weiteren Planungen zusammen passen. Wenn die sportlichen Ziele jetzt erreicht werden, gibt es eine sehr realistische Chance, dass K.C. Rivers bleibt.
Auffällig ist ja, dass für diese Saison im Vergleich zum letzten Jahr weniger Stars im Team dabei sind, sondern eher junge Spieler.
Am Ende einer Saison analysiert der Trainerstab die vorhergegangene Saison und uns war klar, dass wir ein bisschen jünger und athletischer werden müssen. Das haben wir nun realisiert: Unter anderem mit Deon Thompson, der als Rückkehrer genau weiß, wie das Team und wir ticken und sich vor Ort auskennt, das ist richtig gut. Und so versucht man, die Mannschaft wie ein Puzzle Stück für Stück zusammenzubauen. Ich glaube, Stand heute ist unser wichtigstes Ziel, dass wir gesund bleiben und keine Verletzungen haben. Dann werden wir ein extrem gutes und erfolgreiches Team sehen.
Worauf dürfen sich die Fans diese Saison freuen?
Ich glaube, wir haben eine Mannschaft, die sehr attraktiven Basketball spielen und abseits des Felds positiv ankommen wird. Daraus wird sich zwangsläufig der sportliche Erfolg ergeben.
Volker Stix (45) ist gebürtiger Bamberger und kam in seinem Leben damit erst gar nicht um das Thema Basketball herum. Er brach zwei Studiengänge ab und ist trotzdem, oder gerade deswegen, ein gutes Beispiel dafür, was man sich im Berufsleben mit Einsatz, Mühe und Schweiß erkämpfen kann: Seit Oktober 2014 bildet er zusammen mit Marko Pesic die Geschäftsführung der FC Bayern München Basketball GmbH. Mehr unter fcb-basketball.de.
Das Interview erschien in Ausgabe 8 (Ende 2015), geführt von Bettina Riedel.
Edit 27. Mai 2019 – Zum Saisonende am 30. Juni 2019 wird Volker Stix den FCBB als Geschäftsführer verlassen. Seine nächste Station steht noch nicht fest.