Dr. Julia Ehrenmüller ist promovierte Mathematikerin und gründete ihr eigenes IT-Unternehmen – nicht etwa in Berlin oder München, sondern im Allgäu. Auf karrieremuenchen.de berichtet sie über ihren Werdegang, ihre persönliche Motivation und natürlich auch die Gründung.
Als ich vor 10 Jahren mein Mathematikstudium begonnen habe, war mir nicht klar, was Mathematik alles leisten kann. Ich habe mich für das Studium entschieden, weil Mathematik und analytisches Denken meine Leidenschaften sind. Ich liebe es, über scheinbar unlösbare Probleme nachzudenken und Lösungen dafür zu finden. Wer mich kennt, weiß, dass Aufgeben keine Option für mich ist. Was ich hingegen gar nicht leiden kann, sind Ineffizienz und das Nichtnutzen von Optimierungspotenzialen. Im Laufe meines Studiums und meiner Promotion habe ich ein Gebiet der Mathematik und Informatik entdeckt, mithilfe dessen man Automatisierung und Effizienz erreichen kann: Künstliche Intelligenz.
Künstliche Intelligenz ist als Begriff schwierig zu fassen, doch einige Anwendungen sind schon allgegenwärtig und werden in der Zukunft immer wichtiger werden – sei es beim Erkennen von Bildern und Sprache, beim Übersetzen von Texten oder beim autonomen Fahren. Ein Teilgebiet von Künstlicher Intelligenz ist das sogenannte Maschinelle Lernen, das mit mathematischen Modellen aus Beispielen Muster und Gesetzmäßigkeiten lernt und nach einer Trainingsphase verallgemeinern kann. Gerade dieses Teilgebiet ist für fast alle Branchen und Bereiche relevant.
Wie viel Geräte sollen produziert werden, um die künftige Nachfrage zu decken? Wann wird es voraussichtlich zu einem Maschinenausfall kommen? Welche Bestandskunden könnten bald abwandern und wie lässt sich dem am besten entgegensteuern? Sobald genügend Daten vorliegen, lassen sich diese Fragenstellungen durch fundiertes, automatisiertes und datenbasiertes Wissen und Künstliche Intelligenz beantworten, anstatt durch persönliche Erfahrung und vages Bauchgefühl. Künstliche Intelligenz ist die Zukunftstechnologie und der Schlüssel zu erfolgreichem Wirtschaften.
Bei Ehrenmüller beschäftigen wir uns täglich mit solchen Anwendungsfällen von Künstlicher Intelligenz und entwickeln als leidenschaftliche Mathematiker und Softwareentwickler maßgeschneiderte Lösungen für mittelständische Unternehmen. Unser Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, digitaler, innovativer und vernetzter zu werden und das volle Potential aus ihren Daten zu ziehen.
Bevor ich mein Unternehmen im November 2018 gegründet habe, hatte ich bereits verschiedene Stationen hinter mir: In meinem ersten Job nach meinem Studium an der TU München und Promotion an der TU Hamburg analysierte ich historische Daten und Live-Daten im Qualitätsmanagement bei Sixt. Durch die mathematische Analyse und Visualisierung der Daten konnte Transparenz in operativen Prozessen geschaffen und somit Optimierungspotenziale erkannt werden. Aus privaten Gründen bin ich dann vor gut 1,5 Jahren ins Allgäu gezogen, wo ich als Data Scientist im Innovation Campus bei Bosch gemeinsam mit meinen Teamkollegen Künstliche Intelligenz in der Fertigung vorantreiben durfte.
Relativ schnell ist mir allerdings klar geworden, dass ich gerne mehr bewegen möchte, als es mir innerhalb eines einzigen Unternehmens möglich ist und bald stand es außer Frage, dass ich den großen Schritt in die Selbstständigkeit wagen werde.
Meine Entscheidung hat vor allem zwei Reaktionen in meiner Umgebung hervorgerufen. Ein Teil hat mit Begeisterung und Zuspruch reagiert, der andere mit Erstaunen und Zurückhaltung ob der Entscheidung, das scheinbar sichere Angestelltenverhältnis gegen risikoreicheres Unternehmertum zu tauschen. Mein Rat an alle angehenden Gründer an dieser Stelle ist, sich im Vorfeld ausführlich Gedanken zu machen, einen Businessplan zu verfassen und sich Rat von geeigneten Stellen zu holen, dann aber selbstbewusst und mutig seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Die Entscheidung, mein Unternehmen im Allgäu zu gründen, fiel mir relativ einfach. Die Region überzeugt durch ihre ausgezeichnete Lebensqualität, weltweit erfolgreichen, etablierten Unternehmen sowie einer ausgeprägten Gründerkultur. Mit Allgäu Digital bietet das Allgäu ein wahrscheinlich einzigartiges Gründerzentrum im Bereich Digitalisierung, das Gründer unterstützt, Startups und etablierte Unternehmen aus der Region vernetzt und verschiedenste Veranstaltungen zu Gründungsthemen und Digitalisierung anbietet.
Mir hat die Initiative vor, während und auch nach der Gründung sehr geholfen. Wie auch andere Gründer habe ich die Möglichkeit, ein Jahr lang in den Räumlichkeiten von Allgäu Digital zu arbeiten. Das besondere Flair der alten Fabrikhalle, in der wir arbeiten, ermöglicht, dass man selbst nach langen Arbeitstagen inspiriert und innovativ bleibt.
Genau das ist in der Anfangszeit nach der Gründung eines Unternehmens extrem wichtig. Denn eine große Herausforderung sind die unterschiedlichen Rollen, die man in dieser Zeit einnehmen muss. Man ist gleichzeitig Unternehmer, Manager und Fachkraft und muss sein Unternehmen strategisch weiterentwickeln, Projekte umsetzen, Neukunden akquirieren, Marketing betreiben, Mitarbeiter einstellen und führen, sich um Buchhaltung und Finanzen kümmern und noch vieles mehr.
Ein wichtiger Punkt, den man dabei nicht vergessen darf, ist die fachliche Weiterbildung. Denn gerade das Thema Künstliche Intelligenz ist ein stark wachsendes Gebiet, in dem es essenziell ist, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Wir arbeiten sehr nahe an der aktuellen Forschung, bilden uns ständig mit wissenschaftlichen Artikeln weiter und besuchen Konferenzen und Seminare, nicht zuletzt die Data Pioneers-Konferenz und den Data Science-Stammtisch Allgäu.
Diesen Stammtisch habe ich gegründet, nachdem ich nach meinem Umzug auf der Suche nach einem geeigneten Format war, um mich mit anderen über Künstliche Intelligenz und Data Science auszutauschen. Seither treffen wir uns regelmäßig zu vierzigst bis fünfzigst bei unterschiedlichen lokalen Unternehmen, halten Vorträge über neueste Anwendungen und Methoden und tauschen uns über Erfahrungen, Ideen und Chancen aus.
Nach den ersten Treffen entstand gemeinsam mit Allgäu Digital und Manuel J. A. Eugster, Organisator des 4ländereck Data Science Meetups, die Idee, eine Konferenz über Data Science und Künstliche Intelligenz in Kempten auszurichten. Bei dieser werden Anwendungen in Industrie und Wirtschaft fachlich anspruchsvoll für Data Scientists, Data Engineers und Data Science Interessierte präsentiert. Nach dem vollen Erfolg der ausverkauften Konferenz im November 2018 werden wir sie nun auch im November 2019 wieder veranstalten – dieses Mal an der FH Vorarlberg.
Der Zukunft sehe ich jedenfalls nicht nur deshalb sehr positiv entgegen. Das Interesse an Künstlicher Intelligenz ist allgemein sehr hoch und der Bedarf an Beratung und Unterstützung in diesem Bereich wird auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Deshalb möchte ich deutlich wachsen und Ehrenmüller zu einem Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz und Data Science für mittelständische Unternehmen weiter ausbauen.