Der Handel verändert sich, was sich auch durch die aktuelle Coronakrise deutlich zeigt. Innerhalb der Branche gab es sowohl Gewinner als auch Verlierer und die Auswirkungen werden noch einige Zeit spürbar sein. Welche das genau sind, welche Berufe derzeit gefragt sind und was man als Berufseinsteiger mitbringen sollte, um in der Branche erfolgreich zu werden, erzählt Wolfgang Puff, Geschäftsführer des Handelsverband Bayern.
Herr Puff, welche Änderungen ergeben sich für die Handelsbranche durch die aktuelle Krise? Wo sehen Sie Chancen?
Die Coronakrise war für den Einzelhandel ein unglaublich einschneidender Moment. Es gab Unternehmen, die während des Ausnahmezustandes weiterhin geöffnet haben durften, diese erlebten einen Boom, da viele Menschen vermehrt zuhause waren und so die Nachfrage stieg. Neben der Lebensmittelbranche traf das etwa auf die Branche der Bau- und Gartenmärkte zu, da viele die lange Zeit zuhause nutzten, um aufzurüsten oder zu renovieren. Andere Unternehmen traf der Lockdown hingegen stärker und sie durften erst nach und nach wieder öffnen. Dazu zählen die Leitbranchen der Innenstädte – die ich auch gerne als Leidbranche bezeichne – wie Textil und Mode, Sport, Leder- und Schuhwaren oder auch Bücher.
Unternehmer müssen jetzt Einsatzwillen zeigen
Bis heute sind diese Bereiche nicht richtig auf die Beine gekommen, denn die Menschen sind, was das nicht unbedingt nötige Kaufen angeht, eher zurückhaltend. Das schadet den Branchen extrem. Die staatlichen Soforthilfen und die anschließenden Überbrückungshilfen, die seit Juni dieses Jahres greifen, waren sehr gut. Jedoch wurden von den 25 Milliarden Euro, die zur Verfügung stehen, gerade einmal eine Milliarde abgerufen. Obwohl Bedarf besteht, ist der Umsatzrückgang im Einzelhandel oft nicht so hoch wie erfordert, als dass man diese Hilfen in Anspruch nehmen könnte.
Ich bin der Auffassung, dass der Einzelhandel auch noch in 2021 stark von Corona betroffen sein wird. Chancen ergeben sich dennoch für diejenigen, die unternehmerisch tätig sind und weiterhin sein wollen. Unternehmer müssen herausarbeiten, wo ihre Kerngeschäfte und Zielgruppe liegen, wie sie sich für die Zukunft aufstellen und sie müssen Einsatzwillen zeigen. Der Kunde braucht vor allem jetzt eine klare Ansprache.
Kanäle gibt es für solch eine Ansprache ja einige. Wie könnte die Branche reagieren und die Zielgruppe erreichen?
Die Stichworte sind hierbei – wie so häufig – Digitalisierung und Digitale Transformation. Was früher im Telefonbuch stand, wird heute abgelöst durch das Telefonbuch der Moderne. Ich muss eine Website haben, um mich und meine Ware auf dem Markt sichtbar zu machen. Zwar muss ich nicht auf meiner eigenen Website verkaufen, denn eine solche Umstellung auf ein Shopsystem ist oft sehr kostenaufwändig, aber empfehlenswert ist es, sich auch auf den sozialen Medien zu präsentieren. Diese bieten eine gute und kostengünstigere Gelegenheit, sich mit den Kunden und seinen Zielgruppen in Verbindung zu setzen.
Auch müssen Unternehmen jetzt sehr genau auf ihre Kosten und das Ordern achten, etwa wie und in welchem Umfang geordert wird. Das wird sicherlich sehr viel vorsichtiger und zurückhaltender ablaufen in den schwierigen Branchen als es in den vergangenen Jahren der Fall war.
Man sollte mit dem Kunden auf Augenhöhe argumentieren können
Sicherlich werden wir auch weitere Herstellerkonkurse erleben, davon zeugen die zahlreichen Einbrüche in diversen Bereichen. Daher muss jetzt noch größerer Wert auf die Mitarbeiter gelegt werden – diese wie auch die Unternehmer selbst müssen noch stärker kunden- und serviceorientiert denken. Dabei sind auch Produktschulungen wichtig, denn der Mitarbeiter im Verkauf sollte mit dem Kunden auf Augenhöhe argumentieren können. Eine Kaufentscheidung ist häufig eine Frage der Abwägung, diese kann der Verkäufer erheblich beeinflussen.
Nicht zuletzt gab es viele Geschäftsaufgaben, zum Teil auch Lagenaufgaben einzelner Standorte oder Filialen von Konzernen. Diese Leerräume könnten Möglichkeiten für Unternehmen sein, sie neuartig oder anderweitig zu nutzen. Die Innenstadt ist einem Strukturwandel unterworfen, Kommunen jeglicher Größenordnung sind jetzt in der Verantwortung, sich mit den Innenstadtakteuren Gedanken um eine neue Konzeption zu machen. Zu diesen Akteuren gehören etwa der Handel, die Gastronomie, Dienstleister, Kultur und Kunst, zum Teil auch die Bildung.
Mit einem Strukturwandel für die Geschäfte selbst geht bestimmt auch ein Wandel der Berufe einher. Welche werden wichtiger und welche haben an Bedeutung abgenommen?
Der Einzelhandel besteht nicht nur aus Häuptlingen, sondern vor allem aus dem Frontkampf, das heißt denjenigen, die im Verkauf eine Dienstleistung erbringen. Der mit Abstand beliebteste Beruf ist daher noch immer Verkäufer:in, den man in einer zweijährigen Ausbildung erlernt, oder auch Kauffrau/-mann, bei dem sie drei Jahre andauert. In der Regel werden aus diesen Bereichen die Führungskräfte nachgezogen, die sich dann entsprechend weiterbilden können. Dazu gehört der/die Handelsfachwirt:in, weitere Ausbildungen gibt es aber auch im Marketingbereich oder beispielsweise in der Kostenrechnung.
Seit wenigen Jahren haben wir auch die Ausbildung Kauffrau/-mann E-Commerce im Angebot, die zunehmend wichtiger wird und vor allem große Unternehmen anbieten. Im Bereich der IT ist auch das „digitale Gold“ wichtig, also die Kundendaten. Diese zu verarbeiten und umzusetzen ist eine große Herausforderung, bei der junge Menschen mit ihrer IT-Affinität gute Chancen haben. Darüber hinaus hat ein erfolgreiches, gutes Marketing schon immer den Kauf beschleunigt und angeregt und bleibt daher auch weiterhin wichtig.
Auch ohne Studium kann man zur Führungskraft werden
Studenten werden sich im Einzelhandel vor allem in den Bereichen Marketing, Kosten oder Controlling finden, das heißt in den rückwärtigen Diensten, jedoch weniger im Verkauf selbst. Zudem sind die Chancen für Hochschulabgänger in großen Konzernen natürlich andere wie in einem mittelständischen oder kleinen Betrieb. Doch auch ohne Studium gibt es die Chance, eine Führungskraft zu werden, etwa in den starken Branchen im Mode- oder Lebensmittelbereich.
An Bedeutung verloren haben vor allem diese Berufe, deren Nachfrage nicht mehr so groß ist. Dazu gehören etwa die Musikalienhändler, das ist ein Ausbildungsberuf, oder die Drogisten. Auch der Schauwerbegestalter ist bei weitem nicht mehr so bedeutsam wie früher.
Welche zusätzlichen Voraussetzungen und Kompetenzen werden von Berufseinsteigern im Handel erwartet, neben einem abgeschlossenen Studium oder einer abgeschlossenen Ausbildung?
Das sind an erster Stelle Lernwilligkeit und -fähigkeit, aber auch Anpassungsbereitschaft. Jeden Kunden anders zu nehmen und zu erkennen, was er will, das ist eine Herausforderung und erfordert gute Fähigkeiten beim Kommunizieren wie auch in Offenheit und Austausch. Wer diese Gabe nicht besitzt, muss versuchen sich diese anzueignen. Eine große Rolle spielt neben einem guten Gespür für den Kunden und der Freude am Beruf aber auch das Kulturelle. Das Publikum wird vor allem in den größeren Städten immer internationaler, daher ist auch eine gewisse Sprachbegabung von großem Vorteil, um sich mit Kunden gut verständigen zu können. Am besten dabei natürlich in ihrer ursprünglichen Sprache, denn das schafft Vertrauen.
Text und Interview von Lisa Miethke.
Wolfgang Puff ist seit 1992 im Einzelhandelsverband tätig. Seit 2017 ist er Hauptgeschäftsführer vom Handelsverband Bayern, zuvor war er seit 2002 in Augsburg Geschäftsführer des HBE-Bezirks Schwaben.